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Colisa chuna - Ludwigshafen

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Charlyroßmann
(@charlyrossmann)
Noble Member
Beigetreten: Vor 18 Jahren
Beiträge: 1828
 

Joo, Klaus!
Wir bekommen das meiste nicht mit. Aber das bißchen, was wir mitbekommen, ist faszinierend genug.
Zu den Malawicichliden: du vergißt das Freßverhalten. Einige Arten verändern sogar nach wenigen Generationen im Aquarium die Maulform.
Um das zu verhindern, müßtest du einem Labeotropheus mindestens zwanzig Quadratmeter intensiv besonnte Felsen in zwei Metern Wassertiefe zur Verfügung stellen.
Und noch mal zu den Turmfalken: es gibt da die Hypothese mit der "Erfolgsfalle". Je erfolgreicher ein Vogelpaar in der letzten Brutzeit war, um so weniger ist es geneigt, sein Revier zu verlassen. Ein gutes Brutrevier ist aber nicht unbedingt auch ein gutes Winterrevier.
Gruß
Charly

"wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen" A. Camus
" wir müssen uns Camus als Dummschwätzer vorstellen" Sisyphos


   
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Erich Willems
(@erich-willems)
Reputable Member
Beigetreten: Vor 15 Jahren
Beiträge: 237
 

Hallo,

na, da war Klaus schneller und hat im Prinzip das Meiste geschrieben, was ich auch inhaltlich geschrieben hätte.
Aber obwohl es dann wahrscheinlich eine Wiederholung wird will ich trotzdem in meinen Worten antworten, möglicherweise sind inhaltlich gleiche bis ähnliche Antworten für manche Mitleser ja hilfreich?

Vorneweg möchte ich allerdrings unterstreichen: "Wir bekommen das meiste nicht mit. Aber das bißchen, was wir mitbekommen, ist " auch schon sehr faszinierend!

Also,
' "die Frage: "was bedeutet das?" und "warum ist das so?" ist etwas kurz gegriffen.' würde ich genau umgekehrt sehen: Diese Frage und ähnliche sind Alles.

Und "Weil wir das nicht wissen können." ist sowas wie Schicksalsergebenheit ;) auch wenn ich weiß, dass das bei dir, Charly, gewiss nicht zutrifft.
Wie oben ja schonmal gesagt, mit dem Begriff "Wissen" ganz furchtbar streng genommen stimmt das ja tatsächlich auch, aber
aus im strengen Sinne "nicht wissen können" folgt nicht "Das Interessante an der Information über die erhöhte Wintersterblichkeit bei fortpflanzungserfolgreichen Turmfalken ist ja gerade, daß kein Erklärungsversuch gemacht wird." Es sei denn, man beschäftigt sich mit menschlichen Motive im Allgemeinen und bei Wissenschaftlern insbesondere - was Klaus ja dann auch auf Grund dieser Äußerung getan hat -.

Die erfasste Information - bzw. die beobachteten Fakten - sind das eine, nämlich schlicht die Basis, die uns davon abhält, ins Fantastische abzudriften - Denken lösgelöst von jeder Realität -.

Bleiben diese Informationen alleine stehen sind sie schlicht ein Nichts, eine bedeutungslose Datensammlung, die evtl. noch den Zweck erfüllt Datenspeicher herstellende Firmen reich zu machen. Ansonsten sind sie alleine so stehen gelassen wirklich nichts.

Fossile Rückstände in der Erde oder sonstwo sind Datensammlungen, wenn auch nicht von uns dahin gespeichert, sondern "freundlicherweise" zufällig archiviert. Solange diese "Knochen" in der Erde liegen, sind sie schlicht nichts - im Sinne von wissen schaffen -, ein wenig strukturierte Materie, ohne jede Bedeutung für uns und selbst dann, wenn ein Archäologe sie ausbuddelt und woanders archiviert, sind sie, für sich stehen gelassen, immer noch schlicht nichts.
Erst dadurch, dass jemand diese Datensammlung interpretiert, wird sie zur Information und erst dadurch, dass jemand seine Fantasie davon (geregelt) anregen lässt, um diese Infomationselemente (beobachtete Fakten) mittels plausibler Spekulationen bzw. angereichert durch einige formale einzuhaltenden Randbedingungen zur Hypothese aufgewertet (oben genannte Falsifizierbarkeit, ist eine davon) in einen Zusammenhang stellt, also Frage wie wie, warum wozu und dergleichen versucht zu beantworten, erst dadurch werden diese Faktensammlungen interessant und sind überhaupt mehr als Sammlerleerlauf.

Ich würde also die Sache so formulieren:
Das Interessante an dieser Information, diesen Fakten ist die Spannung auf die von einem Wissenschaftler gewiss irgendwann zu erwartende begründete Spekulation (Hypothese), mit er er versuchen wird, diese nackten Fakten in einen Zusammenhang zu stellen, also kurz, der ausstehende und bestimmt mit Spannung erwartete Erklärungsversuch.

Käme dieser prinzipiell nicht irgendwann, wäre da kein Wissen Schaffender am Werke, sondern ein Archivierungswerkzeug.

Wissen schaffen bedeutet nicht Fakten archivieren. Jedes archivierte Fakt sagt nur "dieses singuläre Ereignis ist nachweislich geschehen". Davon alleine hat man gar nichts.

Ich sammele Fakten:
Gestern um 17h wurde am See x Mensch M der im Wasser stehende Fuß entfernt.
Heute um 23h wurde am See x Mensch M1 der im Wasser stehenden Fuß entfernt.
...
Das ist nichts aber jetzt:
Spekuliert Herr Fantasievoll: Wasser wohnt eine Kraft inne, die darinstehende Füße auflöst.
Sammler, der diese Fakten dokumentiert/beobachtet hat spekuliert nichts, ist's zufrieden diese Daten erfasst und dokumentiert zu haben aber versteigt sich nicht in Spekulationen über das Warum, wieso,wie,.. denn er weiß ja er kann es sowie nicht wirklich wissen - womit er von mir uneingeschränkt Zustimmung bekommt -.

Übermorgen stehen beide am See x und sehen etwas das weiter hinten im Wasser schwimmt und sie dringend brauchen würden.
Fantasievoll dreht sich um und geht zum Wald. Ruft ihm Sammler hinterher: Wo gehst du hin? Was machst du? Ruft Fantasievoll zurück: Ich hole einen Stock, um mir das Willhaben rauszufischen!
Sammler schüttelt innerlich den Kopf, macht einen Schritt ins Wasser greift nach Willhaben und ... fällt um: Fuß weg. Fantasievoll ist inzwischen auch zurück, zieht Sammler schnell aus dem Wasser und angelt sich ohne einen Fuß ins Wasser zu setzen Willhaben heraus.

Was ist geschehen - ich weiß Charly, hasts mich längst verstanden und bist sowieso auch dieser Sicht gewesen, aber da ich mir nun mal die Freude gemacht habe, dieses Geschichtchen anzufangen will ich's zu Ende führen.

Sammler hat also Fakten gesammelt und sich eines Erklärungsversuches enthalten, weil er ja sowieso es nicht wirklich wissen kann.

Fantasievoll ist halt ein unverbesserlicher Fantast und hat es sich nicht verkneifen können, obwohl auch er weiß, dass er es letztlich ja nicht wissen kann, was da geschehen ist, außer eben der unumstößlich erfassten Faktenlage. Er ist halt ein Fantast und kann nicht anders als sich eine Geschichte auszudenken, die zu den erfassten Fakten passt und erzählt wie es dazu kam: "Wasser ist ein hinterhältiges Wesen, es lässt sich von uns trinken, damit wir ihm in die Falle gehen und uns unbedenklich hineinstellen. Dann schnappt es sich unsere Füße und knüpft daraus Ketten".
- Schwachsinn, stimmts? Aber sehen wir's ihm nach, er ist ein Fantast! -
Aber nun kommt's.
Er ist nicht nur ein Fantast, sondern glaubt an seine Fantastereien auch noch zu einem gewissen Grade in dem Sinne, dass er sich sagt. "Man weiß ja nie ( ;) ), vielleicht stimmt das ja?!" Und weil er denkt, dass ja was dran sein könnte, traut er sich nicht ins Wasser zu gehen, denn er prognostiziert ängstlich: Wenn ich den Fuß ins Wasser stelle kassiert dieses hinterhältige Wasser ihn bestimmt. Deswegen holt er einen Stab und behält seinen Fuß. Sammler dagegen fantasiert sich keine Erklärung zu den Fakten. Folglich kann er auch nicht - und tut dies auch entsprechend nicht - eine Prognose wie Fantasievoll stellen über das, was in der Zukunft geschehen könnte, wenn er seinen Fuß ins Wasser setzt (oder genauer keine Prognose über künftig machbare Beobachtungen, wie Fuß weg, wesentlich an dieser Umformulierung ist, dass auch ein künftig machbarer/erwartbarer Fund bei einer archäologischen Ausgrabung, auch wenn das archivierte Ereignis in der Vergangenheit lag nichts desto trotz exakt der gleiche Prognosetyp über eine künftig machbare Beobachtung ist, was glaube ich nicht jedem klar ist.).

Folge: Die Evolution wird Sammler ausselektieren, Fanatsievoll selektierend "belohnen", denn nur Fantasievoll hat prognosetaugliche Erklärungen der von ihm aufgenommenen Ereignisse zur Verfügung und kommt damit durch die Welt, die vor ihm liegt.
Und eben das und nichts anderes ist der Kern des durch Wissenschaftler geschaffenen Wissens. Kein absolutes Wissen, sondern prognosetaugliche Spekulationen/Hypothesen/Theorien eben Erklärungsversuche, die bessere Prognosen erlauben als die Erklärungsversuche von gestern. Mehr ist Wissenschaft nicht aber definitiv auch nicht weniger und genau genommen ist es das Höchste: Eine gewiss absolut gesehen falsche - oder besser nicht ganz richtige - jetzige Theorie, die nicht immer die richtige Prognose stellen kann aber gewiss eine bessere als die Theorie/der Erklärungsversuch von gestern.

In dem Zusammenhang und zum Abschluss dieser viel zu langen Geschichte:
Eben deswegen sind auch in Foren (Aquaristik und ähnliche) die oft zu lesenden Aussagen über die Taxonomie mit der die Biol. die Lebewesen in Beziehung setzt wie "Das ist ja doch nur eine vom Menschen gemachte willkürliche Einteilung" so falsch wie eigentlich nur eine solche Aussage sein kann.
Sie ist absolut nicht willkürlich sondern für sich selbst ein Erklärungsversuch im obigen Sinne über die Beziehung der Lebewesen untereinander und nicht nur irgendeine Art von Erklärungsversuch sondern eine in obigem Sinne progronosebelastbare Erklärung.

Und weil es eben in obigem Sinne ist, ist diese formulierte Erklärung, die Taxonomie, auch nie stabil, sondern wird sich immer ändern werden und müssen, nämlich wenn sie eine Erklärung darstellen soll die bessere Prognosen erlaubt als die alte Version. Es ist also grundfalsch, aus der Änderung der Taxonomie auf deren Willkür zu schließen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Tatsache, dass sie innerhalb eines wissenschaftlichen Prozesses laufend geändert wird ist der Hinweis: Diese Erklärung wird verbessert,also tauglicher, also genau das, was jeder vom Schaffen von Wissen erwartet.

Wollte zwar eigentlich noch anderes aufgreifen, das reicht mir aber jetzt erstmal zeitmäßig -trotz möglichst schnellen Tippens - ....
daher schönen Abend und

Tschüss
Erich
---
Macropodus ocellatus auf erabo.de


   
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Charlyroßmann
(@charlyrossmann)
Noble Member
Beigetreten: Vor 18 Jahren
Beiträge: 1828
 

Hey, alle zusammen!
Wir können tatsächlich viele Dinge nicht wissen.
Ich will noch mal die Turmfalken bemühen.
Klaus, der alte Theoretiker, schreibt, man könne ja die Turmfalken vor dem Winter fangen und wiegen.
Erzähl das mal einem Feldornithologen. Der lacht sich kaputt.
Wißt ihr, vor allem, Klaus, weißt du, wie solche Informationen wie die mit den Turmfalken zustande kommt?
1. Man sammelt die Ringdaten von im Lauf des Winters tot gefundenen Turmfalken und schließt die in der vorhergehenden Saison geborenen gleich aus. Die haben logischerweise noch nicht gebrütet und haben außerdem mit Abstand die höchste Sterblichkeit.
2. Man versucht die gewonnenen Ringdaten mit Vögeln in Verbindung zu bringen, über deren Bruterfolg in der letzten Saison Erkenntnisse vorliegen, die also so gut beobachtet wurden, daß sowohl die die ausgeflogenen Jungvögel gezählt als auch die Ringdaten von wenigstens einem der Eltern mit dem Fernglas abgelesen werden konnten. Und das natürlich ohne die Vögel zu stören.
3. diese Vögel müssen natürlich schon als Jungvögel beringt worden sein.
Bei diesen vielen wenns wundert es einen, daß überhaupt brauchbare Daten vorliegen, um den Bruterfolg halbwegs belastbar mit der Wintersterblichkeit zu korrelieren. Weiter Untersuchungen, wie etwa zur Todesursache, sind schwer durchzuführen, weil z. b. die Vogelwarte einfach nur den gefundenen Ring zugeschickt bekommt und nicht den ganzen, halbverwesten toten Vogel. Solche Befgunde sind auch schwer zu erheben, denn Feldornithologie ist Ehrenamt und Hobbyarbeit. Irgendwelche Laborarbeiten sind im größeren Rahmen nicht finanzierbar.
Diese lange Geschichte erzähle ich, um klar zu machen, daß uns manche Informationen einfach nicht zugänglich sind und nicht zugänglich sein werden. Wenn so eine häufige, gut beobachtbare und deswegen sehr gut untersuchte Vogelart so viele Fragen aufwirft, wie ist das erst mit der "Wintersterblichkeit" der Fadenfische im zusammenhang mit dem "Bruterfolg"?
Der von uns allen offensichtlich geschätzte, nein, nicht Vierke, sondern Konrad Lorenz erzählt dazu die Geschichte, wie ein von ihm sehr geschätzter Professor eine Vorlesung beendete, nämlich mit dem Goethezitat, das Erforschbare zu erforschen und das nicht Erforschbare ruhig zu verehren und wie besagter Professor in den aufbrandenden Beifall rief: "Falsch, meine Damen und Herren, nicht ruhig, nicht ruhig!"
Gruß
Charly

"wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen" A. Camus
" wir müssen uns Camus als Dummschwätzer vorstellen" Sisyphos


   
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