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Diskussion zu Neozo...
 
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Diskussion zu Neozoen (ehem. Thread zum Verbot von Pomacea)

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K. de Leuw
(@k-de-leuw)
Noble Member
Beigetreten: Vor 18 Jahren
Beiträge: 2034
 

Hallo Daniel,

Also, Münsterland: schon weiter im Norden als die Rheinebene.

Da der Rhein in Deutschland ziemlich genau in Süd-Nord-Richtung fließt, würde ich eher von weiter östlich reden. Von Buldern bis zum Rhein sind es schlappe 65 km Luftlinie, Buldern liegt also noch fast in der Rheinebene. Und für Bislich sind 600 Nilgänse im Sommer dokumentiert: http://www.bislich.de/content/g%C3%A4nse-am-niederrhein .
Außerdem ist die durch Kühlwasser erwärmte Lippe gerade mal 15 km entfernt, und dazwischen liegt eine Anzahl Seen wie Trittsteine im Beet.

Der Nabu http://nrw.nabu.de/themen/jagd/wasservoegel/04390.html schreibt, dass bereits Ende der 60er in NL gebrütet wurde, seit 1986 erstmalig am Niederrhein (das ist das Jahr, in dem ich den Niederrhein verließ, dei Lücke, die ich hinterließ, wurde von der Nilgans ausgefüllt :D ).

Hallo Michael,

auch die anderen drei von Dir neben der Stockente genannten Vogelarten sind sicher keine Neozoen (Blässralle, Graureiher, Kormoran).

Gruß, Klaus


   
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Charlyroßmann
(@charlyrossmann)
Noble Member
Beigetreten: Vor 19 Jahren
Beiträge: 1828
 

Hallo!
Um mal im aquaristisch-zoogeographischen Klugscheißersprech zu bleiben: das Münsterland gehört zum Rheineinzug, die dortigen Nilgänse haben ihr Flußsystem noch nicht verlassen. Interessant, daß sich auch gut flugfähige Tiere an solche Grenzen halten. Dabei schrecken sie innerhalb des Rheineinzugs vor Extremhabitaten nicht zurück. Ich kann mich an ein Bild erinnern von einer Nilgans, aufgenommen am Titisee, Hochschwarzwald, fast tausend Meter üNN. Meine Voraussage: die Nilgänse werden sich vom Münsterland aus über die norddeutsche Tiefebene bis zur Elbe ausbreiten. Und dann ist der Osten dran.
Eins ist noch erstaunlich: Nilgänse werden seit über hundert Jahren als Parkvögel gehalten, auch freifliegend.
Lange passiert nichts und dann kommt es plötzlich zu einer enormen Ausbreitungswelle, während der in knapp zwanzig Jahren das Rheintal flächendeckend besiedelt wird. Das erinnert an den Eroberungszug der Türkentauben in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wo ganz Europa bis nach Schottland und Irland innerhalb von fünfzig Jahren vom südlichen Balkan aus besiedelt wurde. Bei den Türkentauben wird da eine genetische Veränderung sowohl der Klimahärte als auch des Ausbreitungsverhaltens diskutiert.
Gruß
Charly

"wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen" A. Camus
" wir müssen uns Camus als Dummschwätzer vorstellen" Sisyphos


   
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 CPS
(@cps)
Reputable Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 475
 

Hallo,

die Titisee-Nilgans lebt seit drei oder vier Jahren auch ein paar dutzend Meter
höher, am Schluchsee. Nicht an der Stelle mit dem größten Futtereintrag durch
Touristen sondern westlich, im Bereich von Aha, Oberaha und Aelue. An dem
Brandweiher von Aeule brütete letztes Jahr auch ein Paar ... nach erfolgreicher
Vertreibung der Stockenten.

Wenn Charlys Türkentaubentheorem passt, dann hat sich auch die Nilgans
längst genetisch an die Umweltbedingungen und Nahrundsgrundlagen ihrer
neuen Lebensräume angepasst. Vielleicht - das ist dann meine Theorie -, weil
Gänse (so wie Karpfenfische) ohnehin recht gering spezialisiert sind.
Und zurück zur Türkentaube: die ist inzwischen recht selten geworden ... ob
sich auch die Nilganspopulationen zurückentwickeln werden? Mh ...


   
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Charlyroßmann
(@charlyrossmann)
Noble Member
Beigetreten: Vor 19 Jahren
Beiträge: 1828
 

Hallo!
Auch für die Nilgänse werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Bei der Ausbreitung invasiver Arten gibt es oft drei Stufen, zu beobachten bei Türkentaube, Nilgans, Graugans, Kanadagans:
1) Latenzphase: unauffälliges Verharren in kleinen Populationen, dabei Anpassung an die neuen Verhältnisse, evtl. "Neumischen der Karten" durch Vermischung unterschiedlicher Lokalpopulationen oder sogar Unterarten, wie bei der Kanadagans passiert. Herausbildung eines an die neuen Bedingungen angepassten Typs
2)Ausbreitungsphase: die während der Latenzphase herausselektierten Typen besiedeln in kurzer Zeit alle zur Verfügung stehenden geeigneten Lebensräume
3)Einnischung: Die Populationszahlen stagnieren oder gehen zurück, zum Teil sogar stark, wie zur Zeit bei der Türkentaube zu beobachten, weil Brutversuche in suboptimalen Habitaten erfolglos bleiben, die Nahrungsgrundlagen übernutzt sind, Krankheiten auftreten und Prädatoren sich sowohl vom Verhalten als auch von der Populationsstärke her auf die neue Nahrung einstellen.
Die deutliche Erholung der Uhubestände hat sicher etwas mit der Vermehrung von Raben/Nebelkrähe und Ringeltaube zu tun. Die drei Uhupaare im hessischen Naturschutzgebiet Kühkopf ziehen ihre Brut mit Ringeltauben, Rabenkrähen und Kormorannestlingen auf. Sie werden sich auch an die oft auf Bäumen brütenden Nilgänse halten, wenn deren Bestände für eine gezielte Jagd groß genug sind.
Gruß
Charly

"wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen" A. Camus
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 CPS
(@cps)
Reputable Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 475
 

Hallo mit Einspruch!

Das ist nicht generell gültig!
Denn wenn wir unter die Wasseroberfläche zurückkehren, dorthin, wo
dieser Thread mit Apfelschnecken begonnen hat, treffen wir seit viel
zu vielen Jahren auf Lepomis gibbosus, den Sonnenbarsch. Mit
dem geht es mir so, wie Charly mit dem Grauhörnchen. Dieser Fisch
richtet tatsächlich gewaltigen Schaden an, breitet sich fast ungehemmt
west-, ost- und südeuropäisch aus, hat die Alpen überquert und nahezu
jede Nische besetzt, die sich Barsch nur denken kann. Sonnenbarsche
haben ganz erheblichen Einfluss auf die Populationen aller heimischen
Süßwasserfische und vieler Amphibien.
Dieser Fisch hat die Türkentaube an Ausbreitungserfolg längst über-
flügelt ... aber seine Bestände stagnieren nicht. Sie nehmen übelst
zu, an Raum und Zahl. Und wie schwierig es ist, den Kerlen ohne
Dynamit oder Elektrofischgerät beizukommen, beweist das sogenannte
Hegefischen vieler Angelvereine: aus dem Bergsee in Bad Säckingen
wurden auf diese Weise über einen ganzen Tag hinweg 6,5 kg Sonnen-
barsche klassisch mit Köder geangelt. Das sind 646 Stück, jeweils
handtellergroß.


   
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(@martin-g)
Estimable Member
Beigetreten: Vor 17 Jahren
Beiträge: 110
 

Hallo,

schöner Thread. Spannend, wieviel Interesse es an Neozoen gibt - wobei das natürlich einen erheblichen Bias mit sich bringt, sich dies in einem spezialisiertem Forum anzuschauen.

Ich beobachte das Problem in Ostafrika ein wenig. Guppys gibt es eh überall, Procambarus clarkii wird zum Teil kommerziell genutzt zum Teil schlicht nicht gekannt, obwohl in Massen vorhanden (Uganda). Am schlimmsten ist wohl die Indische Glanzkrähe/Hauskrähe für die Küstenregion und Sansibar. Einheimische Vogelarten sind da zum Teil massivst verdrängt worden - "birding" macht da nicht mehr so richtig Spaß. Warum die allerdings nicht ins Inland wandern, habe ich noch nicht so ganz verstanden. Vielleicht fehlt mit der dichten Bevölkerung einfach die Nahrungsgrundlage. Oder die Brutmöglichkeiten...

Gruß, Martin.

P.S. Ich habe mal gehört, die Waschbären wären an zwei Stellen in Deutschland ausgesetzt worden - eine gründerpopulation irgendwo im Nordosten (MVP?), eine im Südwesten, die sich dann aufeinander zu bewegt/ausgebreitet haben...

Betta cf. splendens "Tonle Sap", Betta imbellis "Phuket", Trichopsis pumila, vittata und diverse Barben und Welse


   
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 CPS
(@cps)
Reputable Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 475
 

Hallo!

Um die Waschbärenstory zu konkretisieren:

"Ende April 1934 erteilte nämlich die Hermann Göring unterstehende Jagdbehörde dem Geflügelzüchter Rolf Haag die Erlaubnis zwei Waschbärpärchen am hessischen Edersee westlich von Kassel auszusetzen. Augenscheinlich war man also auch im Preußischen Landesjagdamt in Berlin davon überzeugt, dass die damals recht wertvollen Pelzlieferanten die „heimische Fauna bereichern“ würden, wie es Haag ausdrückte. Die Tiere sollten aber unter strikter Beobachtung bleiben, was dem Vorhaben eigentlich den Todesstoß versetzt hätte, da telemetrisches Wildlife Monitoring damals noch nicht en vogue war. Rolf Haag hat aber sowieso nicht auf die Antwort der Jagdbehörde gewartet, sondern die beiden hochträchtigen Weibchen und die zwei stolzen Papas am 12. April 1934 einfach so ausgesetzt! An der Mär, dass Hermann Göring persönlich das Aussetzen der Waschbären befohlen hätte, ist also nichts dran. Wenn man von späteren undokumentierten Vorfällen absieht, gehen heute alle Waschbären im nord-, mittel- und süddeutschen Ausbreitungsgebiet auf diese zwei Waschbärpärchen zurück! Wenngleich sich europäische und amerikanische Waldgebiete der gemäßigten Zone nur unwesentlich voneinander unterscheiden, stellte das gewässer- und waldreiche Gebiet rund um den Edersee doch ein ideales Habitat zur Entwicklung einer bestandsfähigen Population dar. Andere Ansiedlungsversuche, zum Beispiel 1929 in der Eifel oder 1935 in der Schorfheide, verliefen nämlich im Sande."

"Es gibt jedoch noch einen zweiten „Ausbruchsherd“, der entscheidend für die Verbreitung des Waschbären im brandenburgischen Raum und den angrenzenden ostdeutschen Bundesländern war. Hier gelang 1945 etwa zwei Dutzend Waschbären nach einem Bombentreffer die Flucht aus einer Pelztierfarm in Wolfshagen bei Strausberg."

Die Quelle: Lotor.de (sehr zuverlässig recherchiert)


   
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Charlyroßmann
(@charlyrossmann)
Noble Member
Beigetreten: Vor 19 Jahren
Beiträge: 1828
 

Hallo!
Schon richtig, daß man das auch auf speziellen Foren machen kann, aber hier, mit Leuten, die man kennt, ist es eher ein informatives Gespräch unter Freunden. Und wenn Neue dazu kommen, wunderbar!
Über die Waschbären weiß ich, daß wohl die ersten Aussetzungen im Ederseegebiet waren und ein Verbreitungsschwerpunkt im Kasseler Raum ist.
Die indische Glanzkrähe folgt mit ihrer Ausbreitung den Schiffen, es sind Vorkommen im arabischen Mittelmeerraum bekannt und mittlerweile wurden die ersten Vögel in Rotterdam beobachtet. Dichte Besiedlung ist für die Glanzkrähe kein Problem, in Indien ist sie ein allgegenwärtiger Stadtvogel. In Afrika wird sie die Städte im Landesinneren noch nicht besiedelt haben, weil ihr die "Trittsteine" fehlen.
Bei uns wird sie sich wahrscheinlich aus klimatischen Gründen und wegen der Konkurrenz zur Rabenkrähe nicht so ausbreiten können.
Frage an Martin: wer macht eigentlich in Ostafrika normalerweise den Job als "Zivilisationskrähe"? Irgend einen großen schwarzen Allesfresser gibt es doch überall.
Gruß
Charly

"wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen" A. Camus
" wir müssen uns Camus als Dummschwätzer vorstellen" Sisyphos


   
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 CPS
(@cps)
Reputable Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 475
 

Hallo!

Jetzt also auch noch die Glanzkrähe. Weiß jemand, ob daran, dass
die inzwischen auch in den Niederlanden vorkommt, etwas dran ist?


   
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(@martin-g)
Estimable Member
Beigetreten: Vor 17 Jahren
Beiträge: 110
 

Hallo Charly,

in Ostafrika ist es kein schwarzer Vogel - zumindest nicht ganz: Corvus albus hat ordentlich weiß im Gefieder. Die Schildraben gibt es nahezu überall. Nur nicht (mehr?) in der Küstenregion, wo es die Glanzkrähen gibt...

Martin.

Betta cf. splendens "Tonle Sap", Betta imbellis "Phuket", Trichopsis pumila, vittata und diverse Barben und Welse


   
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Charlyroßmann
(@charlyrossmann)
Noble Member
Beigetreten: Vor 19 Jahren
Beiträge: 1828
 

Hallo!
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Glanzkrähen in Indien nur in den tropischen und subtropischen Tiefländern gesehen, dort aber massenhaft und vor allem in den Großstädten. In den Wäldern und Mittelgebirgen lebt die ganz schwarze Dschungelkrähe(Glanzkrähen sind kleiner und haben einen grauen Nacken). Weiter oben(Kaschmir, Ladakh, Himachal Pradesh, Nepal, Darjeeling), wo es kälter ist, kann ich mich nicht daran erinnern, Glanzkrähen gesehen zu haben. Das läßt hoffen.
Charly

"wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen" A. Camus
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JürgenE
(@juergene)
Estimable Member
Beigetreten: Vor 15 Jahren
Beiträge: 166
 

Wenn ihr bei der Glanzkrähe von Crovus splendens sprecht, die kenne ich von den Küstengebieten Südsri Lankas. Dort waren sie im Hotel so häufig, dass lange Stangen an dem Baum standen, um sie zu verjagen. Unter dem Baum war der Freiluftmittagtisch. Als ich vor neun Jahr zum letzeten Mal in diesem Hotel war, war der Baum gefällt. Im Inneren der Insel habe ich sie, zumindest bewust, nicht gesehen. D.h. wenn überhaupt, war dort die Populatios sehr dünn.
Gruß, Jürgen


   
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 CPS
(@cps)
Reputable Member
Beigetreten: Vor 13 Jahren
Beiträge: 475
 

Hallo.
Ja, das ist Corvus splendens, und die kommt auf Sri Lanka überwiegend küstennah vor.

Diese Krähenart wird übrigens seit 1994 in den Niederlandenden als Brutvogel bestätigt,
mit steigender Bestandstendenz und sehr langsamer Verbreitung in des Landesinnere.


   
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(@martin-g)
Estimable Member
Beigetreten: Vor 17 Jahren
Beiträge: 110
 

Hallo,

wenn man also überlegt, dass die gesamte westdeutsche Waschbärenpopulation von zwei Paaren abstammt, ist es wieder einmal sehr amüsant, dass viele Aquarianer schon nach zwei Generationen im Aquarium "Inzucht" und "Blutauffrischung" rufen. Aber das wäre das nächste Thema.

Nur mal am Rande, weil hier die richtigen mitlesen: Ich werde die nächsten paar Jahre aus familiären Gründen primär theoretischer Aquarianer und deshalb auch erst einmal kein IGL-Mitglied bleiben.

Entschuldigt das off topic, weiter im Text,

Martin.

Betta cf. splendens "Tonle Sap", Betta imbellis "Phuket", Trichopsis pumila, vittata und diverse Barben und Welse


   
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JürgenE
(@juergene)
Estimable Member
Beigetreten: Vor 15 Jahren
Beiträge: 166
 

Hallo, Martin,
die gut 40 Jahre DDR-Abgrenzung haben keine Inzucht hervorgerufen. Auslese hat das total überstanden, Inzuchtschäden waren meiner Erkenntnis nach nicht oder kaum bekannt. Die bekannten "Inzuchtschäden" können wir auch heute noch durch schlechte Haltungsbedingungen zustande bringen.
Gruß und schöne Feiertage, Jürgen
PS: Familie???????????????


   
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