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Huminstoffe

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(@peter-finke)
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Vor einiger Zeit haben wir unter einem anderen Titel kurz über Huminstoffe diskutiert und ich habe gesagt, dass diese bis zu einem gewissen Grade "verweiblichend" wirkten. Ich habe mich dabei auf Aussagen des Ichthyologen Prof. Christian Steinberg von der Humboldt-Universität (Berlin) bezogen. Nachfolgend habe ich einige Ausschnitte aus einem Interview mit Steinberg eingefügt, in dem er am Schluss auch zu dieser Wirkung auf die Geschlechtsdetermination befragt wird.

Frage: Wirken Huminstoffe auf Fische und andere Süßwassertiere?

Nahezu zweifelsfrei belegen neue ökologisch-chemische Arbeiten, dass Huminstoffe von Pflanzen und Tieren aufgenommen werden. Dies wurde mit radioaktiv (3H, 14C) markierten Huminstoffen unterschiedlicher Herkunft und Qualität bisher - soweit wir wissen - an Weizenkeimlingen und Zellkulturen von Reis sowie Wasserflöhen, Bachflohkrebsen, Kaulquappen des Moorfrosches und dem Hornblatt, einer im Wasser schwebenden Makrophyte, getestet.

Frage: Bewirken Huminstoffe eine allgemeine Konditionsstärkung der Fische?

Wenn Fische gegenüber Huminstoffen exponiert wurden, dann stellte sich häufig eine Aktivierung der Leukozyten und Granulozyten (beides sind weiße Blutzellen) und weiterer zellulärer Abwehrmechanismen ein. Allen ist gemeinsam, dass sie dann aktiviert werden, wenn Fremdstoffe aufgenommen und durch Aktivierung von Sauerstoff verstoffwechselt werden sollen oder wenn Erreger eingedrungen sind und unschädlich gemacht werden sollen.

Ferner sind von Huminstoffen zusammenziehende Eigenschaften beschrieben worden, die zu einer Härtung (Gerbung) von Hautgeweben oder zur Neubildung von Membranen durch die Ausfällung von Proteinen führen. Solche Membranen sind auf Schleimhäuten und besonders auf Wunden zu finden und bewirken entzündungshemmende, entwässernde und Blut stillende Effekte. Gegerbte Hautgewebe sind widerstandsfähiger gegen das Eindringen und das Wachstum der überall vorkommenden pathogenen Pilze. Eine direkte Folge der zusammenziehenden Aktion auf dem Hautgewebe ist zudem, dass sich Zygoten und Pilzsporen nur erschwert festsetzen und ausbreiten können. Es lässt sich gut vorstellen, dass selbst nach einer Infektion mit Pilzsporen das sich entwickelnde Pilzgeflecht in den Hautzellen schlechter ausbreiten kann und diese deshalb nicht degenerieren.

Insgesamt lassen sich die Effekte von Huminstoffen auf die Fischgesundheit mit den nachfolgenden Stichworten zusammenfassen: Allgemeine Verbesserung der Vitalität der Fische, verbessertes Wachstum und bessere Nahrungsausnutzung, Stimulation der Abwehrmechanismen durch Aktivierung von Sauerstoff, Hemmung oder Verhinderung des Andockens oder des Eindringens von Erregern an bzw. durch die Fischhaut, Unterdrückung von sekundären Infektionen nach medizinischen Behandlungen.

Frage: Haben Huminstoffe auch eine hormon-ähnliche Wirkung?

CS: Sie können die Nachkommenzahlen des Fadenwurms beeinflussen, häufig erhöhen und seltener vermindern. Da diese Würmer Hermaphroditen sind, das Befruchtungsgeschäft also individuell erledigen, tritt die weitere hormon-ähnliche Wirkung bei ihnen weniger deutlich in Erscheinung, nämlich die Verschiebung des Geschlechterverhältnisses zugunsten von Weibchen. Gleichwohl fanden wir auch bei diesem Wurm mit allen bisher getesteten Huminstoffen eine Aktivierung desjenigen Genes, das für das Dottereiweiß (Vitellogenin) kodiert. Da dies vor einer Produktion von Eiern hergestellt wird, ist dies als ein deutliches Anzeichen einer weiblichen Aktivität, ja einer Verweiblichung, zu werten.

Auch bei Fischen und dem Krallenfrosch, Xenopus laevis, also bei niederen Wirbeltieren, bei denen bekanntlich die Geschlechtsausprägung sehr stark durch externe Faktoren, wie die Temperatur, bestimmt wird, fanden wir bei Huminstoffexpositionen stets eine Verschiebung des Geschlechterverhältnisses zugunsten der Weibchen. In diesem Versuch wurden drei sehr unterschiedliche Huminstoffe oder Huminstoff-ähnliche Präparate gestestet. Bei den Expositionen mit all diesen Präparaten war der Anteil der Männchen vermindert zugunsten von Weibchen, Hybriden oder geschlechtlich nicht differenzierten Individuen. Was diese Befunde für die Aquaristik oder Fischökologie bedeuten, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden.

Soweit diese Auszüge aus dem Interview. Natürlich sind die Aussagen sehr pauschal, aber auch vorsichtig zugleich. Die Differenzierungen, die in unserer oben genannter Diskussion vorgenommen wurden (wo z.B. bestimmte Fischgruppen ausgenommen wurden) sind dort nicht enthalten. Aber ich denke, dass sie doch für unsere Arbeit von Bedeutung sind, da wir es ja bei Prachtguramis mit Schwarzwasserfischen zu tun haben, die wir in der Regel unter Verwendung von Huminstoffe absondernden Substanzen pflegen.

Peter Finke, Bielefeld


   
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 emha
(@emha)
Honorable Member
Beigetreten: Vor 18 Jahren
Beiträge: 693
 

Auch ich habe den Vortrag von Steinberg gehört und mit Erstaunen seine Hypothesen gehört. Interessant war der Punkt mit den vom milieuabhängigen Geschlechterverhältnis. Viel Huminstoffe bewirken dass mehr Weibchen und weniger Männchen entstehen!? In der Praxis habe ich bei meinen Paro-Zuchten der harveyi-Gruppe manchmal keine Männchen und sehr häufig deutlichen Weibchenüberschuss. Der deutliche Weibchenüberschuss bei Paros der harveyi-Gruppe ist der Regelfall. Bei schaumnestbauenden Betta gibt es häufig viel zu viele Männchen (kleine rote incl. persephone) und kaum Weibchen (auch der Regelfall). Es kommt mi5 vor, als ob nur einzelne Zuchten mit annähernd ausgeglichenen Geschlechterverhältnis gelingen. Ich hatte aber auch schon Zuchten von B. smaragdina ohne ein einziges Männchen. Wieder andere Betta (albimarginata, channoides) bringen bei mir immer ein ideales Geschlechterverhältnis von 1:1. Betta simplex brachte bei meinen Rahmenbedingungen 95-100% Männchen.

D. h. eine ungleiche Geschlechterverteilung ist vielfach bekannt. Und verschiedene Arten lassen sich nicht über einen Kamm scheren! Was könnte dafür verantwortlich sein?
1. Individuelle "Fähigkeiten" der Elterntiere. Vielleicht generieren manche Paare überwiegend Weibchen, andere umgekehrt. Wer weiß das?
2. Physiologische Rahmenbedingungen die Einfluss nehmen (Temperatur, Wasserwerte, Strömung, Crowding-Efekte etc.) Es könnte linear wirken oder komplex sein.

Ich vermutete tendenziell die (bei mir) eher zu niedrige Wassertemperatur (22-24°) und den pH Wert. Da ich eher zu hohe pH-Werte habe, und sehr wenig Huminstoffe einbringe, passt die praktische Betrachtung zunächst nicht mit der pauschalen Aussage von Steinberg zusammen. Offenbar reagieren die Gattungen verschieden auf (meine) Rahmenbedingungen. Es muss also relativ sein. Verschiedene Fischarten fordern verschiedene Rahmenbedingungen bzw. Haltungsparameter um ein ausgewogenes Geschlächrterverhältnis zu generieren. Das ist ja auch logisch und wir sollten uns an den natürlichen Biotopen orientieren. Denn die evolutive Antwort im Sinne der Anpassung auf die Eigenschaften des Biotops ist ein zum Erhalt der Art günstiges Geschlechterverhältnis (dies muss übrigens nicht zwangsläufig bei 1:1 liegen!) Tatsächlich könnten aber auch jahreszeitliche Schwankungen (im Wasserchemismus, -temperatur, -strömung etc.) relevant sein, welche durchlebt werden müssen. Was es kömpliziert macht.
Möglich wäre auch, dass Jungfische (von Paros) in Gesellschaft von Alttieren (der Kolonie) aufwachsen müssen, um Männchen zu werden (a la Anemonenfisch), ich könnte mir da skurile Wirkmechanismen vorstellen.
Nur beweisen kann man das mit unseren Mitteln ja nicht.

Das sind so ein paar Ideen. Gibt es hierzu wissenschaftliche Erkenntnisse?

Martin Hallmann


   
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(@thomas-p)
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Beigetreten: Vor 18 Jahren
Beiträge: 442
 

Danke, Peter! Bisher konnte ich in erster Linie eine Verschiebung des Geschlechterverhältnisses zugunsten der Männchen feststellen. Auch bei z.T. sehr unterschiedlichen Verhältnissen scheint "crowding" immer die u.a. durchsetzungsfähigeren Männchen zu begünstigen.

Zum allgemeinen Thema möchte ich an dieser Stelle auf einen älteren Beitrag verweisen:
http://www.igl-home.de/forum/phpBB2/vie ... 4002#14002

Unter dem Markennamen "Dupla" vertreibt die Firma "Dohse Aquaristik KG" den Huminstoff HS 1500 unter der Produktbezeichnung "Cur, Schutztonikum, Huminstoff HS 1500". Die 200ml-Flasche habe ich nicht als teuer in Erinnerung.

Sobald meine neue Zucht-/Versuchsanlage mit fünf 25-ltr.-Becken (40x25x25cm) fertig ist, möchte ich mit den ersten Testläufen beginnen.
Ziel ist es einen einfach und sicher zu reproduzierenden Weg zu finden, empfindlichere Schwarzwasser-/Weichwasser-Fische zu züchten. Neulinge in diesem Bereich, die selten "Anfänger" sind, haben oftmals m.E. nach Probleme damit. Vor allem die stete Verschlechterung der Wasserbedingungen durch sich zersetzendes biogenes Material und, wie ich vermute, bakterielle Ungleichgewichte, ist ein Hindernis. Oftmals zeigen die Tiere spät, wenn überhaupt, Anzeichen. Die typischen Flecken in den Flossen, Bauchwassersucht, Schuppensträube etc., konnte ich bisher bei verschiedenen Betta, Microctenopoma, Sphaerichthys, Fundulopanchax und Aphyosemion feststellen.

Thomas

Flüsse voller Leben Rettet den Regenwald


   
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(@sig11)
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Beigetreten: Vor 17 Jahren
Beiträge: 140
 

Hallo,

zum einen sollte man hier erst mal beruecksichtigen, dass "nur" von einer Verschiebung des Geschlechterverhaeltnisses gesprochen wird. Wurde denn erwaehnt, wie das Geschlechterverhaeltnis ohne Huminstoffe war?

Im gleichen Gedankengang: Man sollte auf keinen Fall die Huminstoffe als einzigen Faktor fuers Geschlechterverhaeltnis betrachten. Das sagen doch wohl weder das Interview, noch die Erfahrungen hier (von z.B. Martin).

Und dann hab ich noch einen einzigen persoenlichen Datenpunkt dazu: bei meinen M. krestseri hab ich eigentlich immer irgendwie M-Ueberschuss, bei mal viel und mal maessig Huminstoffen.

Gruss,
Andreas

IGL 352


   
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(@peter-finke)
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Beigetreten: Vor 20 Jahren
Beiträge: 1349
Themenstarter  

Zu Andreas:

1. Steinberg hat an der Humboldt-Universität zu verschiedenen Umweltfaktoren, nicht nur zu den Huminstoffen, umfangreiche Versuchsreihen durchgeführt. Das Geschlechterverhältnis zu ermitteln war dabei nicht die Hauptabsicht, sondern ein Nebenergebnis. Die Verschiebung zu einem höheren Weibchenanteil war dabei für gesteigerte Huminstoffwerte signifikant.

2. Niemand hat behauptet, dass allein die Huminstoffe das Geschlechterverhältnis festlegen. Steinberg erwähnt selbst andere Faktoren (z.B. Temperatur und pH-Wert), die dabei ebenfalls mitwirken können. Auch Aquarienerfahrungen deuten in diese Richtung. Allan Brown zum Beispiel hat uns auf den IGL-Tagungen gelegentlich von seiner Steuerung des Geschlechterverhältnisses über den pH-Wert erzählt (bei Parosphromenus und Betta).

3. Dass Männchenüberschuss bei unterschiedlichem Huminstoffgehalt auftreten kann, steht nicht im Widerspruch zu der experimentell belegten Erfahrung, dass Huminstoffe die Ausbildung von Weibchen begünstigen. Andere Faktoren können diese Wirkung konterkarieren. Auch dürfte es artbezogene Unterschiede geben. Schließlich erwähnt Steinberg selbst zu hohe Huminstoffgehalte als potentielle Risiken, die offensichtlich die Normalwirkung aufheben oder bremsen können.

Peter Finke, Bielefeld


   
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(@sig11)
Estimable Member
Beigetreten: Vor 17 Jahren
Beiträge: 140
 

Hallo Peter,

danke fuer die Erklaerungen. Ja, genau so hab ich mir das vorgestellt :-). Zu 2 (und teilweise zu 3): mir ging es darum, die Ergebnisse nicht verkuerzt "abzuspeichern" (was im Internet ja schnell passiert).

Zu 1: Was ich meine Frage sein sollte: war z.B. bei Art 1 ohne Huminstoffe das Verhaeltnis 40:60 (m:w) und mit Huminstoffen 30:70 (mit durchaus signifikanter Statistik). Und z.B. bei Art 2 ohne HS 65:35 und mit HS 50:50. Oder war es immer ohne HS 50:50 und mit HS z.B. 40:60? Alle diese Verschiebungen wuerden einen signifikanten Effekt von HS nahelegen. Aber eben nur eine Verschiebung und kein absolutes Geschlechterverhaeltnis (da ja eben auch die ganzen anderen Faktoren eine Rolle speilen). Im Endeffekt ist das aber nicht so wichtig, da sich hier eh alle einig sind, dass es noch andere Faktoren gibt.

Gruss,
Andreas

IGL 352


   
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(@peter-finke)
Noble Member
Beigetreten: Vor 20 Jahren
Beiträge: 1349
Themenstarter  

Andreas, es ging - wenn ich Steinberg richtig verstanden habe - nie um absolute Zahlen, sondern immer nur um Tendenzen in die eine oder andere Richtung. Wir neigen vielleicht dazu, ein 50:50-Geschlechterverhältnis für "normal" zu halten, aber was ist schon normal? Die Erfahrung zeigt ja, dass diese Art von halbe-halbe-Normalität fast nie gegeben ist.
Die durch Experimente hauptsächlich mit einigen europäischen Nutzfischen gewonnene Behauptung ging nur dahin, dass verstärkter Huminstoffgehalt tendentiell den Weibchenanteil erhöht. Mutatis mutandis für die anderen Umweltfaktoren. Aber ob dies nun für alle Organismen gilt, für die ein Umwelteinfluss auf die Geschlechtsausprägung nachgewiesen ist (das sind außer Fischen auch noch (mindestens) manche Amphibien) und wie groß genau dieser Einfluss ist und welche Anhängigkeiten von anderen Umweltfaktoren verstärkend oder abschwächend gegeben sind: da bin ich kein Fachmann und dazu wurde auch nichts gesagt. Ich vermute mal, dass das weithin noch unbeantwortete Fragen sind. Dennoch waren die Aussagen präzise genug, um sich damit zu befassen.
Wenn ich Thomas aus Wien richtig verstanden habe, will er u.a. auch dazu in Zukunft einige Experimente machen. Das wäre eine gute, interessante Sache, Thomas!

Peter Finke, Bielefeld


   
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(@thomas-p)
Reputable Member
Beigetreten: Vor 18 Jahren
Beiträge: 442
 

Wenn ich Thomas aus Wien richtig verstanden habe, will er u.a. auch dazu in Zukunft einige Experimente machen.

Ja, Peter, auch wenn sich Daten dazu nur "nebenbei" ergeben werden.
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In diesem Zusammenhang bin ich auf der Suche nach einer möglichst asozialen, Schwarzwasser bevorzugenden Art, die sich trotzdem in Klarwasser und in Gesellschaft, zumindest aber mit Sichtkontakt, von gleichgeschlechtlichen Artgenossen erfolgreich und einfach fortpflanzt. Aus eigener Erfahrung könnte ich mir vorstellen, dass P.quindecim kein so schlechter Kandidat wäre, würde aber eine in der Endgröße kleinere und weniger massige Art bevorzugen. Für Empfehlungen bin ich dankbar!

Thomas

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K. de Leuw
(@k-de-leuw)
Noble Member
Beigetreten: Vor 18 Jahren
Beiträge: 2034
 

Hallo zusammen,

Frage: Haben Huminstoffe auch eine hormon-ähnliche Wirkung?

CS: Sie können die Nachkommenzahlen des Fadenwurms beeinflussen, häufig erhöhen und seltener vermindern. Da diese Würmer Hermaphroditen sind, das Befruchtungsgeschäft also individuell erledigen, tritt die weitere hormon-ähnliche Wirkung bei ihnen weniger deutlich in Erscheinung, nämlich die Verschiebung des Geschlechterverhältnisses zugunsten von Weibchen. Gleichwohl fanden wir auch bei diesem Wurm mit allen bisher getesteten Huminstoffen eine Aktivierung desjenigen Genes, das für das Dottereiweiß (Vitellogenin) kodiert. Da dies vor einer Produktion von Eiern hergestellt wird, ist dies als ein deutliches Anzeichen einer weiblichen Aktivität, ja einer Verweiblichung, zu werten.

Dieser Schluss ist nun aber wirklich Unsinn. Um Eier herstellen zu können, muss ein Tier zunächst einmal weiblich sein. Dann muss es geschlechtsreif werden, dann müssen Eizellen reifen, dann muss Dotter produziert werden. Einen Stoff, der nur die Dotterproduktion erhöht, ohne dass eine Wirkung auf die Differenzierung der Geschlechtsorgane gezeigt wurde, als verweiblichenden hinzustellen, halte ich für, vorsichtig gesagt, gewagt.

Daher wäre ich genauso vorsichtig mit der direkten Beeinflussung des Geschlechterverhältnis von Fischen durch Huminstoffe, was natürlich nicht auszuschließen ist. Aber wenn Huminstoffe die Vitalität steigern, können Verschiebungen in beide Richtungen auch auf z. B. höhere Aggressivität zurückzuführen sein, die direkt (Tötung schwächerere Artgenossen oder schwächerer Geschlechtsgenossen) oder indirekt (Geschlechtsausprägung durch Aggressivität wie bei Anemonenfischen) zur Geschlechterverschiebung führt.

Eine Anekdote zum Schluss: In meiner Unizeit arbeitete ich mit an der Suche nach einem für das Nervensystem spezifischen genetischen Schalter. In einem Antrag für Forschungsgelder dazu tauchte an jeder dritten Ecke das Wort "Alzheimer" auf. Auf meine Frage, warum er das geschrieben habe, wo doch unser Projekt auf Jahrzehnte nichts mit Alzheimer zu tun haben würde, antwortete mein Chef, so habe er mehr Chancen auf mehr Geld. So ähnliche Situationen habe ich mehrere erlebt. Ich möchte Herrn Steinberg nichts unterstellen, aber zur Zeit wird viel über geschlechtsdeterminierende Umweltgifte geschrieben. Vielleicht sitzt beim Thema Geschlechtsdetermination bei Forschungsfördereinrichtungen wie der DFG zur Zeit das Geld lockerer. Ich fände es übrigens nicht verwerflich, die Konkurrenz ist hart, und ohne solche Strategien bleibt für manche Forschungszweige nichts übrig.

Gruß, Klaus


   
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(@peter-finke)
Noble Member
Beigetreten: Vor 20 Jahren
Beiträge: 1349
Themenstarter  

Klaus hat zweifellos damit recht, dass Wissenschaftler bisweilen sonderbare Thesen aufstellen, um an Forschungsmittel zu kommen. Da ich einen Lehrstuhl für Wissenschaftstheorie hatte und Betrug in und Machtmissbrauch von Wissenschaft eines meiner Spezialgebiete war, könnte ich viele Beispiele nennen. Aber Christian Steinberg sollten wir das nicht unterstellen. Allerdings erinnere ich mich daran, dass er im Anschluss an einen Vortrag gesagt hat, dass seine Hypothesen zunächst auf völlige Ablehnung durch Gutachter getroffen sind, dass aber einige Jahre später, als er weitere experimentelle Belege vorbringen konnte, diese Ablehnung abnahm und ihm die Möglichkeit eröffnet wurde, die Sache weiter zu erforschen.
Für ihn war aber die ganze Geschlechtsthematik nur ein Nebenthema, das er vor Aquarianern aufgegriffen hat; ihn interessieren bei seiner Forschung hauptsächlich andere Dinge. Und man muss auch bedenken, dass dieses Interview, aus dem ich zitiert habe, wohl kaum von ihm auf seinen Wortlaut geprüft worden ist; es ist von einem Aquarianer geführt und in einem aquaristischen Kontext veröffentlicht worden. (Wer es im ganzen Wortlaut nachlesen möchte: http://www.aklabyrinthfische-eac.eu/Betta_News.htm )

Was bleibt - und nur das ist hier von Belang - ist die durch Experimente (nicht nur von Steinberg) belegte Verschiebung im Geschlechterverhältnis gewisser Fische u.a. durch die Einwirkung von Huminstoffen. Ob dies nun aber alles so richtig interpretiert wird oder ob nicht erkannte Parameter hierbei mitgespielt haben, das müsste man durch die genaue Analyse jener Experimente herauszubekommen versuchen. Eine platte (Selbst-)Täuschung jedenfalls dürfte hier nicht vorliegen, wohl ein möglicherweise ziemlich komplexer, noch weiter aufzuklärender Zusammenhang.

Peter Finke, Bielefeld


   
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(@sig11)
Estimable Member
Beigetreten: Vor 17 Jahren
Beiträge: 140
 

Hallo zusammen,

endlich vergess ich mal nicht auf das aktuelle "Aquaristik Fachmagazin (205, Feb/Maerz 2009)" hinzuweisen, in dem da auch recht viel dazu steht.

Gruss,
Andreas

IGL 352


   
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