Herr Martin Hallmann hat mir vor kurzem zum Thema Geschlechtsunterscheidung und Fundortvarianten bei Betta rutilans geholfen. Interessiert das hier jemanden, denn es ist ein ziemlich langer Text und weder Herr Hallmann noch ich möchten wichtigtuerisch wirken oder unnnötig Platz im Forum beanspruchen.
Thomas
Thomas
Hi Thomas,
immer rein damit
@Liebe Grüße!!@
Anja
Mitglied in der Seerose Frechen
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Martin Hallmann in einem Schriftverkehr mit mir zur Geschlechtsunterscheidung bei Betta rutilans:
Thomas P.: Nach welchen äußeren und verhaltensbiologischen Kriterien unterscheiden Sie die Geschlechter?
Martin Hallmann: Das ist eine lange Geschichte. Zum Verständnis muss ich vorausschicken, dass ich sämtliche Arten kleiner roter Betta gehalten und (bis auf B.livida) nachgezogen habe. Die äußeren Unterschiede variieren je nach Art und auch Fundortform. B. persephone (manchmal), B.brownorum (manchmal) und B.rutilans sind nicht immer einfach zu unterscheiden. Häufig sind nur dominante Männchen und laichreife Weibchen gut zu unterscheiden. In der Regel sind Männchen bekanntermaßen bunter und langflossiger, insbesonders die Bauch und Afterflosse geben einen gewissen Anhaltspunkt. Weibchen sind pummeliger und haben einen kleineren Kopf. Die Größe ist nur bei Geschwistern ein Kriterium, da Männchen häufig schneller wachsen aber die Endgröße (außer bei B. cf. burdigala "Kubu") beider Geschlechter ist annähernd gleich.
Über die verhaltensbiologischen Kriterien kann man ein Buch schreiben. Wie Sie sicher wissen und schon beobachtet haben, sind in der Fortpflanzungzeit den Geschlechtern gewisse Verhaltensmerkmale eigen. Diese haben z. T. gemeinsam mit Farbe, Zeichnung etc. Schlüsselreizfunktion und sind Voraussetzung für ein "Verständnis" der Sexualpartner untereinander und als eine Art Sprache zu verstehen. Diese art-(oder populations-) interne Sprache sorgt dafür, dass bevorzugt Partner der gleichen "Rasse" zum Zuge kommen. Diese Verhaltenweisen kennen Sie durch Ihre Zucht von B. rutilans. Erstaunlicherweise sind diese Verhalten (soweit wir sie überhaupt erkennen können) sehr homogen bei allen kleinen roten und etwas abweichend auch bei der splendens-Gruppe zu finden. Ansonsten ist das umfassende und komplexe Thema eher was für ein Gespräch z. B. bei einer IGL-Tagung. Da gibts noch einige mehr, die interessante Standpunkte und Erfahrungen haben. Es wird im Sommer ein langer Artikel über Verwandschaft und Systematik der Prachtguramis in der DATZ erscheinen. Dieser behandelt viele interessante Aspekte in dieser Richtung.
Thomas P.: Ich habe ein "Weibchen", daß größer und bulliger, aber farbloser als das zugeteilte Männchen ist. Die Flossen sind proportional gleich groß wie beim Männchen, aber der feine weiße Saum an Schwanz- und Rückenflosse ist schwächer zu sehen. Die Flossenauszüge sind gleich stark ausgeprägt wie beim Männchen. Laichpapille ist stärker ausgeprägt als beim Männchen. Im Gesamthabitus ist es "eindeutig" ein Männchen, daß sexuelle Mimikry betreibt. Das "Weibchen" zeigt manchmal je Seite zwei rote Kiemendeckelflecken, das Männchen auch, aber stärker als dieses. Rein verhaltensbiologisch zeigt das "Weibchen" auch männliche Verhaltensweisen, lebt aber konfliktfrei mit seinem Männchen in einem sehr gut strukturierten Becken von 30 x 30 cm. Das Männchen steht seit mehreren Wochen in seiner Filmdose unter einem großen Schaumnest. Dort sieht man zumal auch beide gemeinsam oder auch nur das "Weibchen". Das "Weibchen" ist sehr verfressen und wirkt dick, normalerweise würde ich das als Laichansatz interpretieren. Die beiden Tiere haben auch schon Umschlingungen gezeigt, jedoch ohne jemals abzulaichen. Verwandschaftlich sind es Geschwister aus zwei verschiedenen Generationen (Weibchen älter), die zwischenzeitlich getrennt gelebt haben und nach ihrer Wiederbegegnung sofort gebalzt, aber insgesamt z.T. nicht geschlechtstypische Verhaltensweisen gezeigt haben. Ich bin mir einfach nicht sicher ob das "Weibchen" wirklich eines ist, oder ist dies der, für mich erste, Fall, daß ein größeres Weibchen ein kleineres Männchen als Sexualpartner nicht ganz akzeptiert? Oder könnten es doch zwei Männchen sein? Gibt es andere Fälle wo Männchen von B.rutilans "völlig" friedlich (keinerlei Beschädigungskämpfe!) auf eher engem Raum zusammenleben und vor allem immer wieder aufeinander reagieren und sich nicht "ignorieren"? Zumal es bei mir eigentlich immer so war, daß die Weibchen auch in größeren Becken im Zuge der "Werbungen" Beschädigungen abbekommen haben.
Martin Hallmann: Das alles ist möglich. Es ist mir von hier aus natürlich nicht beurteilbar, welches Geschlecht der betreffende Fisch hat. Es gibt Weibchen, die nie laichen, es gibt Weibchen oder Männchen, die nicht wissen, dass sie welche sind. Ich denke man kann davon ausgehen, dass es neben dem Regelfall auch Sonderbarkeiten gibt, die aus dem Rahmen fallen. So hört sich die Geschichte an.
Thomas P.: Danke für Ihre erschöpfende Antwort!
Thomas
Martin Hallmann in einem Schriftverkehr mit mir zu den Fundortformen bei Betta rutilans:
Thomas P.: Kennen Sie andere Fundorte als um Anjungan bzw. welche Fundortvarianten befinden sich im Hobby? Meine Tiere stammen ursprünglich von vor 2 Jahren importierten Wildfängen ab, jedoch ohne weitere Fundortangaben.
Martin Hallmann: Ich selbst war schon in Borneo (Sarawak) und habe auch gefischt, aber nicht B.rutilans. Es gibt selbstverständlich andere Fundorte als Anjungan. Das Problem ist nur, dass wir Angaben aus dem Handel nicht haben oder diese sehr unsicher sind. Wir müssen also selbst hinfahren. B. brownorum (mit und manchmal ohne Flankenfleck) ist bekanntermaßen von Kuching über Matang, Batu Arang, Simunjan bis Sibu verbreitet. In Ost-West -Ausdehnung ein Gebiet über 3-500 km. (geschätzt). Diese Fundortformen sind sehr variabel, wir kennen sogar eine maulbrütende B.brownorum Form. Wahrscheinlich besiedelt B.rutilans das südlich angrenzende "Becken" jenseits der Wasserscheide entlang der Grenze. Da (noch) keine sympatrischen Vorkommen bekannt sind, ist der Artstatus für mich zweifelhaft. B.rutilans ist B.brownorum ohne Seitenflecken. Die sonstigen Merkmale/ Unterschiede sind marginal. Auch bei B.brownorum finden sich häufig Fische ohne Seitenfleck.
Thomas P.: Wie schätzen Sie die Variabilität der Populationen ein und dementsprechend in meinem konkreten Fall die Gefahr der Einkreuzung anderer B.rutilans in meinen Aquarienstamm? Diese stammen ursprünglich aus dem Handel ohne Fundortangaben.
Martin Hallmann: Groß, siehe oben. Es kommt darauf an wie ernst Sie ihre "Fundortform" aus dem Handel nehmen. Vielleicht wurden die Wildfänge von Kindern aus verschiedenen Gebieten "zusammengesammelt", wir wissen soetwas bei Importen ja nicht. In der IGL gilt folgendes als vereinbart: Die (gesicherten) Fundortformen werden reingehalten und nur innerhalb (zur Blutauffrischung) der Züchtergruppe verpaart. Das sind dann B. rutilans "Anjungan" (z. B.). Alle anderen sind B. rutilans "Handel". Ich habe versucht, die maulbrütenden B.brownorum aus dem Handel über Generationen zu erhalten, da sie wirklich etwas besonderes waren. Das ist problematisch und bedarf einer Organisation wie der IGL, um parallel ernsthafte Züchter zu finden, die den Genpool austreichend groß halten. Sonst stirbt die Population bald durch Inzuchtschäden wieder aus. Bei B. channoides "Pampang" und B. albimarginata "Malinau“ ist es bisher gelungen, sie zu erhalten.
Thomas P.: Danke für Ihre erschöpfende Antwort!
Thomas