Betta livida
Vorkommen
Betta livida kommt nur auf der Malayischen Halbinsel im Schwarzwasser der Sumpfwälder entlang der Westküste vor. Typenfundort ist der Selangor Forest, an der Straße von Tanjung (Tanjong) Malim nach Sungai Besar. Weitere Fundorte von Formen, die gegenwärtig zu B. livida gerechnet werden (siehe aber Besonderes unten) sind Sepang und Klang. Die Beschreiber zählen ausdrücklich die Rawang-Form zu Betta livida, obwohl der Fundort nur wenig nördlich von Kuala Lumpur liegt und damit über 200 km südlich vom Nord-Selangor-Verbreitungsgebiet.
Das Wasser an allen bekannten Fundorten ist typisches saures und sehr weiches Schwarzwasser. Betta livida lebt wie alle kleinen roten Kampffische (Betta coccina Artengruppe) vorzugsweise in überfluteten Wäldern, vorwiegend im Waldrandgebiet in laubgefüllten, durchflossenen Pfützen in oft nur wenige Zentimeter tiefem Wasser. In kühlem, sauberen, durch Huminstoffe des Bodensubstrats (Blätter und Torf) angesäuerten teefarbenen Regenwasser, seltener auch im colafarbenen Schwarzwasser kleiner torfgeprägter Schwarzwasserbäche. Bewohnt die Laubzone, manchmal auch die überhängende Grasnarbe oder flutende Moos- und Wasserpflanzenpolster in oberen Wasserschichten. Kein Freischwimmer, sondern versteckter „Kriecher“ im Substrat. Betta livida ist im Bereich des Typusfundortes kein seltener Fisch, da hier jedoch umfassend gerodet und trockengelegt wird, ist die Entwicklung und die Gefährdung vorgezeichnet. Betta livida wurde gelegentlich durch den Handel importiert.
Beschreibung
Ein schlanker, torpedoförmig gebauter Kampffisch, der eine Gesamtlänge bis 5,5-6 cm erreicht, also für einen Vertreter der Betta coccina Artengruppe ziemlich groß wird. Weibchen bleiben meist etwas kürzer und sind pummeliger gebaut, kurzflossiger und weniger intensiv rot gefärbt. Bei nicht ausgefärbten Fischen sollte man sich bei der Geschlechtsbestimmung von der schlanken Statur und der ausgezogenen Afterflosse der Männchen leiten lassen. In Normalfärbung sind beide Geschlechter beige bis einheitlich rot (im Habitat schwarzbraun) gefärbt. Die Fische können stimmungsbedingt auch breite Längsstreifen zeigen. Die Augeniris ist wie bei allen Zwergkampfischen dieser Gruppe auffällig türkis leuchtend. Nur in Aggressions – und Laichstimmung sind die Geschlechter sehr gut unterscheidbar. Männchen mit roten Flossen- und Körperfärbung, die unpaaren Flossen mit matten, hellen Einsprenkelungen. Als junge Adulti mit kleinem Seitenfleck, der häufig durch einen Flankenglanz überlagert wird. Pektoralen sind rot mit weißen bis grün irisierenden Spitzen. Caudale und Anale können weiß gesäumt sein. Das Weibchen (kann einen kleinen Seitefleck zeigen) zeigt bei der Balz einige helle Vertikalstreifen und beim Ablaichen einen Aalstrich auf dem Rücken.
Haltung
Die Haltung und Vermehrung sollte in kleinen Artaquarien von 25 bis 50 Liter Inhalt ohne bzw. mit sehr schwacher Filterung Paaransatz erfolgen. Das Aquarium sollte zum Schutz des Weibchens „verkrautet“ ausgestaltet sein. Hierzu bieten sich eine Schwimmpflanzendecke (Salvinia, Sumatrafarn), Bepflanzung mit Javamoos, Javafarn und Anubias sowie Moorholz zur Strukturierung und Dekoration an. Der Bodengrund sollte mit Buchen- oder Eichenblättern bedeckt sein. Das Wasser sollte sauber (25%ige Wasserwechsel alle 14 Tage), weich (KH maximal 1-3°) und sauer (pH 4,5-6,5) sein. Die Temperatur kann um 25°C liegen. Wenn sie sich nicht wohlfühlen, klemmen sie die Flossen und sind bewegungsfaul. Häufig tritt auch Oodinium auf.
Betta livida durchaus kann an Frostfutter und Trockenfutter (am besten durch Beifische) gewöhnt werden. Eine Ernährung mit Lebendfutter ist aber geeigneter, da eine Wasserbelastung so besser zu vermeiden ist. Feines Futter, wie Artemia, Moina, Cyclops, kleine Eintagsfliegenlarven sowie schwarze oder weiße Mückenlarven sind geeignet. Auch Grindal, Tubifex und rote Mückenlarven können sparsam und sporadisch gefüttert werden. Adulte brauchen nur jeden zweiten Tag gefüttert zu werden und zeitlich begrenzte, sehr knappe Fütterung schadet nichts. Durch darauffolgende kräftige Fütterung und Wasserwechsel mit kühlem Weichwasser lässt sich das Ablaichen auslösen.
Eine Haltung in Gesellschaft ist möglich z. B. mit kleinen und ruhigen Bärblingen. Betta livida ist relativ unempfindlich und ein ausdauernder, guter Aquarienfisch für Spezialisten. Damit sie zur Geltung kommen und ihre natürliche Zurückhaltung überwinden, sollte man zumindest spezielle Artenaquarien mit ruhigen Beifischen bieten. Diese Fische sollten kleiner sein und ähnliche Ansprüche an die Wasserwerte haben. Es bieten sich z. B. Boraras maculatus oder auch Prachtguramis an. Eine dauerhafte Haltung in Vergesellschaftung führt aber dazu, dass das interessante Verhalten der genannten Labyrinther nur einschränkt zu beobachten ist. Möchte man schaumnestbauende Kampffische vermehren und das interessante Kampf-, Fortpflanzungs- und Brutverhalten beobachten, sind kleinere Artaquarien angebracht, in denen bei den Eltern im Daueransatz eine geringe Zahl von Jungfischen aufwachsen können.
Wie fast alle Kampffische neigt auch Betta livida dazu, sich bei Störungen per Sprung aus dem Aquarium zu verabschieden. Wichtig ist daher eine absolut dichte Abdeckung des Aquariums, da Kampffische jede kleinste Lücke zum Herausspringen nutzen.
Verhalten
Schlanke, schaumnestbauende Kampffische sind außerhalb der Laichzeit vereinzelt lebende, bewegungsarme Fische. Sie sind mäßig innerartlich aggressiv und bestrebt sich ein Einzelrevier zu erkämpfen. Im natürlichen Habitat (Laubgewirr) ist dieses sehr klein. In der Natur trifft man allerdings häufig in einer Pfütze ein adultes Paar und sehr viele Jungfische aller Altersstufen, was auf eine Duldung der Jungen bis zu einer gewissen Größe schließen lässt. Danach werden diese, wie andere Adulte auch, räumlich verdrängt. Bei Kommentkämpfen im Aquarium stellt sich schnell eine Rangordnung ein, so dass außer geringen Schuppen- oder Flossenschäden keine Gefahr besteht. Voraussetzung ist natürlich, dass sich die Fische wie im natürlichen Biotop ausweichen bzw. verstecken können.
Begegnen sich zwei annähernd gleichstarke Männchen, wird durch abwechselndes Flossenspreizen und -zusammenfalten sowie durch Abspreizen der Kiemendeckel imponiert. Zusätzlich wird durch Körper- und Flossenschlagen dem Kontrahenten die eigene Stärke demonstriert. Ist der Gegner noch nicht in die Flucht geschlagen, kann es zu Bissen in die Flossen und den Körper, meist in Rücken und seltener zu Maulzerren kommen. Durch eine Streifenzeichnung und entsprechende Körperhaltung zeigt der Schwächere seine Unterlegenheit und entgeht der weiteren Verfolgung.
Zucht
Aus den Rahmenbedingungen des natürlichen Vorkommens abzuleiten sind die Voraussetzung zur Vermehrung: sehr weiches und saures Wasser, Temperatur 25-28°C. Paarweise Haltung im ruhigen Artaquarium mit bester Fütterung mit z. B. Mückenlarven führt dazu, dass das Paar meist über längerer Zeiträume wöchentlich ablaicht. Die Aufzucht der Jungfische kann bei den Eltern erfolgen, es muss dann laufend feines Lebendfutter gegeben werden. Geschlechtsreif sind die Jungfische bei guter Fütterung nach 5-6 Monaten. Will man eine größere Anzahl von Jungfischen erzielen, so kann man die Larven kurz vor dem Freischwimmen entnehmen und separat aufziehen.
Zur Vermehrung errichtet das Männchen ein kleines Schaumnest an der Wasseroberfläche oder, bevorzugt, in Höhlenverstecken. Zweckdienlich im Aquarium sind kleine Kunststoffröhren. Durch eine spezielle Querstreifen-Zeichnung und wedelnde Bewegung mit zusammengelegten Flossen gelingt es dem laichwilligen Weibchen, die Aggression des Männchens zu unterdrücken. In der Regel verläuft das Ablaichen völlig friedlich und ruhig. Die Partner umschwimmen und umschlingen sich so, dass das Männchen das Weibchen ringförmig umfasst und auf den Rücken dreht. Dadurch kommen sich die Geschlechtsöffnungen nahe und die Befruchtung des austretenden Laiches ist gesichert. Nach einer Laichstarre, aus der das Männchen zuerst erwacht, sammeln beide Partner die herabsinkenden Eier ein und bauen sie in das Schaumnest ein. Es werden innerhalb einiger Stunden 20-60 Eier abgelaicht.
Nach dem Ablaichen erwacht wiederum die Aggression des Männchens, welche dazu führt, dass das Weibchen vom direkten Nestbereich verdrängt wird. Häufig wird durch das Weibchen ein Ringrevier um das Nest gebildet und es ist durchaus an der weiteren Brutpflege beteiligt. Das Männchen verteidigt nun das Nest aktiv gegen alle Reviereindringlinge und pflegt den Laich und die Jungfische bis zum Freischwimmen. Zum Zeitpunkt des Freischwimmens der ersten Brut, 7 Tage nach dem Ablaichen, wird häufig erneut abgelaicht, sodass ein Schutzrevier für mehrere Bruten bestehen bleibt. In zu kleinen Aquarien führt die Verteidigung des Kernreviers durch das Männchen dazu, dass das Weibchen gejagt wird. Da es durchaus getötet werden kann, sollte man es in kleinen Aquarien nach dem Ablaichen heraus fangen. In größeren Aquarien, mit weiterem Besatz zeigt sich die genannte Arbeitsteilung der Elterntiere (Elternfamilie). Verschiedene abweichende Beobachtungen zeigten, dass interessanterweise diese Rollenverteilung nicht allzu starr festgelegt zu sein scheint. Regelmäßig kann man beobachten, dass Weibchen einige Laichkörner oder Larven „stibitzen“ und selbst pflegen. Ebenso können starke Weibchen das Männchen vom Schaumnest verdrängen oder bei Entfernung oder Tod des Männchens die Brutpflege übernehmen.
Besonderes
Die Art ist in der Natur durch Abholzung der Wälder und Trockenlegung der Schwarzwassersümpfe hochgradig bedroht.
Mit der Beschreibung durch Ng & Kottelat 1992 wurde Betta livida von der Art Betta coccina (Jambi, Sumatra) und jenen Fischen, die wir als Betta cf. coccina „Malayische Halbinsel“ bezeichnen, abgegrenzt. Die (rein optisch wahrnehmbaren) Unterschiede sind marginal, es gibt Varianz und es gibt offenbar auch Zwischenformen. Einige der Abgrenzungskriterien erwiesen sich nicht als stabil bzw. konstant über Generationen. Daher ist die Artabgrenzung umstritten. Betta livida ist in der IGL altbekannt und wurde lange als „Selangor Variante“ bzw. “Nord-Selangor Variante“von B. coccina und mit der allerdings unterscheidbaren Form B. cf. coccina “ Malayische Halbinsel “ zusammengeworfen. Der Fundort von „Malayische Halbinsel“ liegt allerdings fast 300 km südlich bei Muar. Inzwischen sind geografisch dazwischen liegende Fundorte (z. B. Rawang und Sepang) bekannt.
Wie oben schon angedeutet, ist man sich uneinig, ob die verschiedenen Fundortformen einer Art zuzuordnen sind, oder verschiedene gute Arten darstellen. Zur Definition soll hier kurz der ganze Komplex der (engen) Verwandtschaft um Betta coccina behandelt werden. Es können drei Betta „coccina Formen“ (incl. Betta livida, Selangor) unterschieden werden, die sich nur geringfügig unterscheiden.
- Die Nominatform von Betta coccina stammt aus Sumatra. Sie weist oft eine leicht lanzettliche Schwanzflosse auf und zeigt in der männlichen Prachtfärbung eine kräftige grünflächige Färbung an den Körperseiten. Auch Weibchen beim Ablaichen zeigen diese auffällige Grünfärbung der Flanken.
- Der in diesem Portrait behandelte, aus dem Selangor-Forest stammende Betta livida besitzt (lt. Beschreiber) grüne, irisierende Bauchflossenspitzen (während die anderen beiden Formen einfarbig dunkelrote Bauchflossen mit schwarzen Filamenten zeigen). Den typischen grüne Glanzpunkt auf den Körperseiten zeigen (lt. Beschreiber) beide Geschlechter. Er ist aber bei Betta livida nur wenig ausgeprägt und verschwindet viel schneller im Alter, als es bei Betta cf. coccina von der südlichen Malayischen Halbinsel (Muar) der Fall ist. Betta livida hat (wie die Sumatra-Form) in der Prachtfärbung eine grünflächige Färbung am Körper, wobei der Rücken bei B. livida einen grünen Schimmer aufweist. Die B. livida Weibchen sind etwas langflossiger als die der anderen beiden B. coccina-Formen. Betta livida aus dem Selangor-Forest hat ein rundlicheres Kopfprofil und erinnert etwas an den nahe verwandten Betta tussyae. Im vorderen Bereich, zwischen Kopf und Rückenflosse, sind dunkle Flecken auf dem Rücken vorhanden.
- Die Form Betta cf. coccina „Malayische Halbinsel“ aus Muar/ Westmalaysia zeigt einen klar abgegrenzten Seitenfleck und schwarze Ventralfilamente. Die Schwanzflosse ist abgerundet und eine flächig grüne Körperfärbung wird nicht gezeigt. Ein maximal ansatzweise Flankenschimmer kann bei männlichen Tieren bei Haltung im Klarwasser auftreten. Weibchen zeigen keinen Seitenfleck und keinen Grünschimmer.
Es ist zu vermuten, dass die beiden westmalaysischen Formen Betta livida „Nord-Selangor“ und Betta cf. coccina “ Malayische Halbinsel “ aus Muar nicht zwei völlig voneinander isoliert entstandene Arten darstellen. Auch wenn dies heute aus Gründen der großflächigen Biotopzerstörung so erscheint. Funde von vermittelnden und nicht eindeutig zuzuordnenden Typen/Farbformen (z.B. Rawang, wenige km nördlich von Kuala Lumpur und Sepang, südlich von Kuala Lumpur gelegen) müssten jedoch genau untersucht werden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich beschriebene Artmerkmale nicht über Generationen im Aquarium als konstant erweisen und auch eine deutliche individuelle Varianz besteht.
Autor
Martin Hallman (23.11.2010), überarbeitet von Dr. Michael Staab (02.04.2024)
Literatur
Dumas D (2003) Erfahrungen mit Betta livida. Der Makropode 25: 94–95.
Hallmann M (2005) Schlanke, schaumnestbauende Kampffische. Der Makropode 27: 94–100.
Hallmann M (2021) Die schlanken, schaumnestbauenden Kampffische der Malaiischen Halbinsel, Betta cf. coccina, Betta livida, Betta tussyae und Betta persephone, im Vergleich. Der Makropode 43: 48–53.
Linke H (2017) Labyrinthfische, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Tetra Verlag, Berlin, 368 S.
Ng PKL, Kottelat M (1992) Betta livida, a new fighting fish (Teleostei: Belontiidae) from blackwater swamps in Peninsular Malaysia. Ichthyological Exploration of Freshwaters 3: 177–182
Schmidt J (1999) Betta coccina von Selangor. Der Makropode 21: 56–58.
Schmidt J (2005) Betta livida – der Dunkelrote. Der Makropode 27: 154–161.
Tan HH, Ng PKL (2005) The fighting fishes (Teleostei: Osphronemidae: Genus Betta) of Singapore, Malaysia and Brunei. Raffles Bulletin of Zoology Supplement 13: 43–99.
No Comments